Arbeitszeiterfassung und Überstunden: Neues Urteil des Arbeitsgerichts Aachen bringt Risiken für Arbeitgeber

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Arbeitszeitdokumentation wird immer wichtiger: Beweislastumkehr droht

Die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ist für Arbeitgeber längst kein neues Thema mehr. Doch die Konsequenzen, wenn sie dieser Pflicht nicht nachkommen, werden immer deutlicher. Ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Aachen (Az.: 3 Ca 1603/24) zeigt, dass fehlende Arbeitszeitaufzeichnungen zu einer Beweislastumkehr führen können.

Das bedeutet: Wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeiten nicht lückenlos dokumentiert, reicht es aus, dass der Arbeitnehmer glaubhaft darlegt, Überstunden geleistet zu haben. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass diese nicht angefallen sind – was ohne entsprechende Dokumentation nahezu unmöglich ist.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen: Eine Zeitenwende?

In dem verhandelten Fall hatte ein Arbeitnehmer Überstunden geltend gemacht, die sein Arbeitgeber jedoch nicht vergüten wollte. Die Firma argumentierte, dass es keine gesicherten Aufzeichnungen über die geleisteten Stunden gebe und dass der Arbeitnehmer seine Überstunden nicht nachweisen könne.

Das Arbeitsgericht Aachen stellte jedoch fest, dass die fehlende Arbeitszeiterfassung ein Versäumnis des Arbeitgebers sei. Da der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit nicht nachgekommen war, sei es ausreichend, dass der Arbeitnehmer plausibel schildert, wie viele Überstunden er tatsächlich geleistet hat. Das Gericht entschied daher zugunsten des Arbeitnehmers und verurteilte das Unternehmen zur Vergütung der Überstunden.

Besonders brisant ist, dass sich das Gericht auf ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Az.: C-55/18) aus dem Jahr 2019 berief. Der EuGH hatte damals entschieden, dass Arbeitgeber ein verpflichtendes, objektives und verlässliches System zur Arbeitszeiterfassung einführen müssen. Das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen setzt diese Vorgabe nun konsequent um.

Welche Risiken ergeben sich für Unternehmen?

Dieses Urteil ist ein Weckruf für Unternehmen, denn es zeigt, welche rechtlichen und finanziellen Risiken entstehen, wenn Arbeitszeiten nicht sauber erfasst werden.

  1. Beweislastumkehr bei Überstunden
    Arbeitgeber verlieren die Kontrolle über den Nachweis von Arbeitszeiten. Wenn keine offizielle Zeiterfassung vorliegt, genügt es, dass Arbeitnehmer ihre Überstunden glaubhaft schildern. Der Arbeitgeber muss dann das Gegenteil beweisen – ein fast unmögliches Unterfangen.
  2. Nachzahlungen für nicht dokumentierte Überstunden
    Unternehmen, die sich auf eine fehlende Dokumentation berufen, könnten in Zukunft vermehrt zur Kasse gebeten werden. Ohne genaue Zeiterfassung könnten Gerichte immer häufiger auf die Argumentation der Arbeitnehmer eingehen und Arbeitgeber zur Vergütung von Überstunden verpflichten.
  3. Bußgelder und Sanktionen wegen Verstoß gegen Arbeitszeiterfassungspflicht
    Bereits das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az.: 1 ABR 22/21) hatte 2022 klargestellt, dass eine umfassende Arbeitszeiterfassung verpflichtend ist. Wer dem nicht nachkommt, riskiert nicht nur arbeitsrechtliche Streitigkeiten, sondern auch behördliche Sanktionen oder Bußgelder.
  4. Schlechtere Verhandlungsposition in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen
    Wenn ein Arbeitnehmer Überstunden einklagt, hat der Arbeitgeber mit einer lückenhaften oder fehlenden Zeiterfassung keine verlässliche Verteidigungsstrategie. In Zukunft könnte sich das Urteil aus Aachen zu einem Präzedenzfall entwickeln, an dem sich weitere Gerichte orientieren.

 

Was sollten Unternehmen jetzt tun?

Um rechtliche Risiken zu minimieren und eine klare Beweislage zu schaffen, sollten Arbeitgeber unverzüglich handeln.

  • Einführung oder Optimierung eines Zeiterfassungssystems: Moderne digitale Systeme sind effizient und rechtssicher. Selbst einfache elektronische Lösungen helfen, Arbeitszeiten zuverlässig zu dokumentieren.
  • Klare Richtlinien zur Arbeitszeiterfassung aufstellen: Arbeitnehmer sollten regelmäßig angewiesen werden, ihre Zeiten korrekt zu erfassen.
  • Arbeitszeitkontrollen und regelmäßige Dokumentationsprüfungen: Arbeitgeber sollten prüfen, ob die erfassten Zeiten mit den tatsächlichen Arbeitsabläufen übereinstimmen.
  • Arbeitsverträge und Überstundenregelungen überarbeiten: Unternehmen sollten klare Regelungen zur Vergütung oder zum Freizeitausgleich von Überstunden treffen, um Streitigkeiten zu vermeiden.

Fazit: Mehr Rechtssicherheit durch konsequente Arbeitszeiterfassung

Das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen (3 Ca 1603/24) zeigt, dass Unternehmen ohne eine präzise Zeiterfassung erhebliche Risiken eingehen. Ohne belastbare Nachweise geraten Arbeitgeber in Beweisnot und müssen im Zweifel unbelegte Überstunden vergüten.

Wer noch kein systematisches Zeiterfassungssystem eingeführt hat, sollte dies dringend nachholen – nicht nur, um finanzielle Risiken zu vermeiden, sondern auch, um sich rechtlich abzusichern.

Die Entscheidung könnte als Wegweiser für zukünftige Urteile dienen und weitere arbeitsrechtliche Verfahren beeinflussen. Arbeitgeber sind deshalb gut beraten, sich frühzeitig auf eine neue Rechtspraxis einzustellen und für mehr Transparenz bei den Arbeitszeiten zu sorgen.

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Helmut Damm
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12. Februar 2025
|
10:38

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